Ende 2017 ist bereits dein zweites Buch „Das Schwarze Holz“ erschienen und wie schon zuvor bei dem großformatigen Kunstband „Aus Tod wird Heimat“ konfrontierst du deine Leserinnen und Leser mit unheimlichen Geschichten und philosophischen Sichtweisen auf das Leben und den Tod. Woher nimmst du die Inspirationen für deine Werke?
Ich glaube, dass Bücher eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration sind. Ganz egal ob es sich um historische oder fiktive Romane, Novellen, Biografien oder Gedichte handelt. Sie sind insofern eine sehr dankbare Quelle, da sie aktiv die Vorstellungskraft ankurbeln und, im Gegensatz zu visuellen Medien, eine Geschichte in einem „unverdauten“ Zustand wiedergeben. Diese Form der Inspiration macht jedoch nur einen kleinen Teil für mich aus. Heutzutage versteht man unter dem Begriff „Inspiration“ ja vorwiegend eine Eingebung, die zwangsläufig einen äußeren Auslöser mit sich führt. Sprich, ich beschäftige mich, mehr oder weniger intensiv, mit einem Thema und habe daraufhin einen spontanen Einfall. Viel häufiger passiert es mir jedoch, dass Inspiration scheinbar ganz und gar ungerichtet und ohne einen erkennbaren Auslöser auftaucht. Obendrein passiert dies meist in den unmöglichsten Situationen: Ich sitze im Auto und stehe vor einer roten Ampel oder ich stehe in der Küche und mache mir gerade einen Kaffee. Dann plötzlich schießt mir eine Idee durch den Kopf, die in keiner Relation zu der Situation, in der ich mich gerade befinde, steht. Dieses Gefühl von animam inspirare ist vergleichbar mit dem leicht hypnotischen Zustand, in dem man sich mehrmals täglich versetzt und, für einige Sekunden, einfach Gedankenlos in die Leere schaut. Jedoch mit dem feinen Unterschied, dass mein Kopf vollkommen klar ist und ein bereits fertiges Bild auf meine Netzhaut projiziert. Wo diese Eingebungen herkommen, kann ich nicht sagen. Der fehlende Bezug oder Auslöser ist natürlich eine rein subjektive Wahrnehmung meinerseits. Möglicherweise gibt es einen Auslöser, der jedoch so weit entfernt liegt, dass er sich unter dem Radar meines Bewusstseins bewegt.
Neben der Malerei, deiner Arbeit als Illustrator und dem Schreiben bist du auch noch als Musiker aktiv. Sind deine musikalischen Vorlieben ähnlich düster wie jene Bilder, die du bisher auf die Leinwand gebracht hast?
Ich denke, dass das bei mir Hand in Hand geht. Ich war schon immer eher ein Fan der härteren Gangart, wobei sich in den letzten 15 Jahren mein persönlicher Musikgeschmack immer weiter in die Genres Black Metal, Doom und Drone verschoben hat. Das gilt sowohl für das, was ich gerne höre, als auch wenn ich selbst hinter der Gitarre/Bass stehe. Je tieffrequenter, desto besser. Aufgrund immer wiederkehrender internen Auseinandersetzungen, bei einem gleichsam sinkenden Grad an künstlerischer Freiheit, musste ich mich jedoch von der letzten Band, in der ich gespielt habe, trennen. Als Musiker fange ich dementsprechend gerade wieder bei Null an. Aber manchmal muss man einen vermeintlichen Schritt zurückgehen, um wieder vorwärts zu kommen. Im Detail habe ich mich allerdings noch nicht um meine musikalische Zukunft gekümmert. Ich bin beruflich sehr eingespannt, weswegen es zurzeit ganz erfrischend ist, die Füße am Wochenende hochzulegen und nicht in einem Proberaum oder auf der Bühne zu stehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich die Musik an den Nagel hänge. Eine Band aus dem Boden zu stampfen ist halt ein logistischer Kraftakt, der einiges an Zeit verschlingt und demensprechend lange dauert. Was ich mir im Moment sehr gut vorstellen kann, ist eine Art musikalisches „Internetprojekt“. Ich habe über all die Jahre einige Ideen gesammelt, die mit der vorherigen Band nicht umzusetzen waren. Daher wäre es sehr spannend für mich, diese Ideen nun mit verschiedenen Musikern umzusetzen. Mal sehen, was die Zukunft bringt.
Bei so vielen verschiedenen Tätigkeiten ist es sicherlich schwer, die nötige Ruhe und die Zeit zum Schreiben zu finden. Dennoch hast du mit "Das Schwarze Holz" eine Sammlung von Kurzgeschichten abgeliefert. Was kannst du über den Entstehungsprozess berichten?
In der Tat. Obendrein kommt noch hinzu, dass kreative Tätigkeiten sich ja nicht beliebig ein- und ausschalten lassen. Daher kommt es manchmal vor, dass ich zwar Zeit hätte, mich aber nicht aufraffen kann, weil sich der Moment nicht dafür eignet, irgendetwas kreatives zu beginnen oder fortzuführen. Ich ärger mich dann zwar fürchterlich über solche Tage, da sie sich wie „verschwendete Zeit“ anfühlen, bin mir aber natürlich bewusst, dass diese Prozesse einfach nicht zu kontrollieren sind.
Die Arbeiten an den Kurzgeschichten und Illustrationen zu „Das Schwarze Holz“ waren sehr langwierig und erstreckten sich über knapp zwei Jahre. Die erste Geschichte („Anastasia“) hatte ich allerdings bereits 2010 fertiggestellt. Diese war damals mein erster Versuch, mich als Schriftsteller zu versuchen. An eine Veröffentlichung hatte ich – zu diesem Zeitpunkt – überhaupt nicht gedacht. Erst fünf Jahre später kristallisierte sich dann die Idee zu „Das Schwarze Holz“ heraus, wobei sich mein erster „Feldversuch“ als dankbarer Startpunkt herausstellte. Das Projekt als Ganzes betrachtet ging dann jedoch recht holprig vonstatten. Wie ich bereits angedeutet habe, arbeite ich nicht hauptberuflich als Illustrator o.ä., sondern bin eigentlich als Doktorand im Bereich „Atmosphärenforschung“ (so nenne ich es mal an dieser Stelle) tätig. Hierdurch hat es mich, in den letzten drei Jahren, sehr oft ins Ausland verschlagen. Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen, aber seit 2015 war ich, beispielsweise, mehr als zehn Mal in den USA unterwegs. In dieses Zeitfenster fällt auch die Arbeit für „Das Schwarze Holz“. Wenn ich denn mal zurück in Mainz oder meiner Heimat Minden war, habe ich dort lediglich Ideen zusammengetragen und höchstens mal ein paar Zeilen, bzw. Skizzen zu Papier gebracht. Ein Großteil der Illustrationen entstand in Boulder und Denver (Colorado). Ich kann mich auch noch gut an die Entstehung der Kurzgeschichte „Eine zweite Haut“ erinnern. Diese habe ich in einem Hotelzimmer in Boulder geschrieben, von dem aus ich einen wunderschönen Blick hinaus auf die Foothills der Rocky Mountains hatte. Man wird sofort bemerken, dass diese Umgebung maßgeblich an der landschaftlichen Beschreibung in dieser Kurzgeschichte beteiligt war.
Noch eine kleine Anekdote zum Schluss: Das endgültige Skript zu „Das Schwarze Holz“ habe ich (per Email) eingereicht, als ich im Sommer 2017 drei Monate lang auf einem Forschungsschiff um die Arabische Halbinsel gefahren bin. Also in einer Zeit, als wir, z.B., in den Piratengewässern im Golf von Aden unterwegs waren oder im Indischen Ozean von riesigen Wellen durchgeschüttelt wurden. Den letzten Handgriff nahm ich in Kuwait vor. Wir lagen dort vor Anker und ich arbeitete in Nachtschicht, da die Temperaturen tagsüber auf teils über 50 °C kletterten (nachts sanken diese auf „nur noch“ 40 °C). Als ich den letzten Check des Manuskripts vornahm, saß ich im Lichtkegel einer kleinen Halogenlampe direkt unter dem Mast, schweißdurchtränkt und mit Wüstensand zwischen den Zähnen.
Für mich ist somit jeder Satz und jede Illustration in „Das Schwarze Holz“ mit einer bestimmten Erinnerung oder Empfindung verknüpft. Rückblickend war es wohl eine der interessantesten Arbeiten für mich.
Die Illustrationen für „Das Schwarze Holz“ hast du mit Tinte gezeichnet und für das Cover deines Kunstbands „Aus Tod wird Heimat“ hast du sogar ein Ölgemälde angefertigt. Warum zeichnest du traditionell und nicht digital, z.B. mit Photoshop?
Ich könnte wahrscheinlich eine komplette Abhandlung zu dem Thema „Traditionelle vs. Digitale Kunst“ schreiben, welche aber den Rahmen eines Interviews um ein Vielfaches sprengen würde. Ich versuche mal, die Quintessenzen herauszufiltern:
Ich habe volles Verständnis für kommerziell arbeitende Illustratoren und Grafiker, die sich digitaler Methoden bemächtigen, um ihr täglich Brot zu verdienen. Es ist wohl kein Geheimnis und auch jeder „Fachfremde“ kann es sich denken: Illustrationen etc. traditionell herzustellen, ist ein Haufen Arbeit und der Aufwand kann finanziell eigentlich nicht aufgewogen werden. Na ja, bis zu einem gewissen Grad könnte er schon finanziell gedeckt werden. Aber würde ich einen Preis für ein voll illustriertes Buch veranschlagen, der auch nur entfernt an den reellen Arbeitsaufwand herankommt (ich rede hier nicht von Materialkosten, die generell recht überschaubar sind), würde mich jeder Auftraggeber von seinem Hof jagen.
Abgesehen von dieser kommerziellen Notwendigkeit, sehe ich jegliche Form von Digitalisierung als eher „seelenlos“ an. Egal wie gut digitale Illustrationen gemacht worden sind oder wie viel Zeit derjenige in die Fertigstellung investiert hat, ich finde keinen Zugang zu ihnen. Da ich nicht kommerziell an irgendwen gebunden bin, erlaube ich mir die Freiheit, auch weiterhin traditionell zu arbeiten und dies dementsprechend eher als Passion zu betreiben, als dass ich meinen Lebensunterhalt damit verdienen muss. Gibt es denn etwas Schöneres, als mit Pigmenten, Grafit und Öl rumzuschmieren und dabei mit einem Glas Wein, bzw. Bier in der Hand vor einer Staffelei zu stehen? Ich würde es nie eintauschen wollen. Des Weiteren beinhalten traditionelle Methoden eine gewisse meditative Komponente, die ich mir bei der Arbeit mit digitalen Methoden, beim besten Willen, nicht vorstellen kann. Traditionelles Arbeiten setzt Konzentration und Muße voraus. Mache ich einen groben Fehler, muss ich, im schlimmsten Fall, meine bisherige Arbeit verwerfen und nochmal von vorne beginnen. Mache ich einen Fehler in Photoshop o.ä., klicke ich auf den Rückgängig-Button oder starte eine Backup-Datei. Dieser Umstand ist weiterhin der Kern für den fehlenden, qualitativen Filter in dieser stark vernetzten Welt, wenn es um die Nutzung digitaler Methoden geht. Denn wirklich jeder noch so untalentierte „Künstler“ kann sich hinsetzen, irgendwas in Photoshop zusammen schmeißen und, binnen Sekunden, einer breiten Masse (weltweit) präsentieren.
Dein Gemälde „Aus Tod wird Heimat“ ist ein beeindruckendes Kunstwerk und mag manchen Leuten durchaus kontrovers erscheinen. Was wolltest du mit diesem Werk aussagen?
Das gleichnamige Cover dazu entstand nach der Fertigstellung des Buches und ist dementsprechend eng damit verbunden.
Es liegt auf der Hand, dass die Grundbasis für das Cover ein klassisches Maria und Jesuskind-Motiv darstellt. An dieser Stelle sei allerdings gesagt, dass es keinerlei christlichen Bezug hierbei gibt. Es diente lediglich als eine, für mich sehr interessante, Vorlage. Bricht man das Motiv auf den kleinsten, gemeinsamen Nenner runter, gelangt man zu einem kultur- und religionsübergreifenden Grundmotiv, welches höchstwahrscheinlich zu den Ältesten in der Geschichte der Menschheit gehört: Das Mutter und Kind-Motiv. Ergo, ein universelles Symbol für Verbundenheit, Heimat und Geborgenheit. Ich denke, dass die Symbolik in „Aus Tod wird Heimat“ bereits laut schreiend daherkommt und daher keiner weiteren Erklärung bedarf. Wer das Buch gelesen hat, wird schnell erkennen, dass das dazugehörige Cover eine Art „invertierte Liturgie“ darstellt.
Welche Pläne hast du für die Zukunft?
Richtig ausgereifte Zukunftspläne habe ich eigentlich nicht. Ich lasse das alles ganz entspannt auf mich zukommen. Allerdings habe ich einige „gute Vorsätze“. So werde ich beispielsweise versuchen, mir zukünftig mehr Zeit und Freiraum für meine eigenen Ideen zu nehmen. Es ist bereits eine Ewigkeit her, dass ich ein neues Ölbild fertiggestellt habe. Es stehen zwar drei neue Bilder auf meiner Staffelei, aber diese sind noch weit davon entfernt, als abgeschlossen zu gelten. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich möchte mich endlich mal wieder einfach vor meine Staffelei hocken und ein ganzes Wochenende „durchmalen“.
Es stehen natürlich auch neue, offizielle Projekte auf meiner Liste, die sich sowohl im Bereich Artwork für Bands, als auch Buchillustrationen bewegen. Jedoch stecken diese noch in den Kinderschuhen. Weiter ins Detail zu gehen wäre – an dieser Stelle – also noch zu früh. Wie gesagt, man wird sehen, was 2018 bringen wird.
(Das Interview führten Uwe Siebert / Pandämonium Verlag und Johanna Blum mit Tobias Könemann)